Öffentlich oder geschlossen? Mit dieser Frage sah ich mich kürzlich konfrontiert, als es um das Einrichten einer Fachgruppe zu Sketchnotes auf Facebook ging. Nun plane ich eine zweite Gruppe auf XING. Und auch diese wird öffentlich sein. Aus Gründen.

Optionen für Gruppen auf Facebook

Facebook bietet für die Privatspähren-Einstellung von Gruppen drei Optionen an.

  1. GEHEIM
  2. GESCHLOSSEN
  3. ÖFFENTLICH

Die Option „Geheim“ impliziert, dass ausschließlich Gruppenmitglieder Daten und Postings von anderen ansehen können. Der Unterschied zwischen „Geschlossen“ und „Öffentlich“ ist aus Facebook-Sicht minimal: Postings in geschlossenen Gruppen tauchen nicht im allgemeinen Stream auf und sind in der allgemeinen Suche nicht auffindbar. Sobald man Mitglied einer Gruppe ist, sind aber alle persönlichen Daten und Äußerungen für jedes Gruppenmitglieder sichtbar.

Fakt ist also: Sofern es nicht ein rigides Gruppen-Management gibt, kann quasi jede*r einer Gruppe beitreten und dann alles sehen, was jemand dort macht.

Offenheit: gelernt im internationalen Kontext

Ich hatte meine ersten Sketchnotes auf dem Barcamp Bielefeld gesehen und vor meinen eigenen ersten Gehschritten sogar Anna Lena Schiller über das Graphic Recording  in einem Live-Video auf ununi.TV interviewt. Dazu kamen dann zügig andere Interviews zum Thema Visual Literacy.

Wenn ich meinen persönlichen Werdegang im Bereich Sketchnotes betrachte, dann muss ich sagen, dass ich als Sketchnoter in der internationalen Community „geboren“ wurde. Unter dem Hashtag #todaysdoodle auf Twitter fand ich nicht nur Diskussionspartner zum Thema, sondern konnte über tägliches Zeichnen meine Skills entwickeln. Auf diversen Barcamps habe ich innerhalb der letzten zwei Jahre darüber berichtet.

Im englischsprachigen Raum weltweit sind Sketchnotes schon seit über zehn Jahren fest etabliert. Der Austausch unter Sketchnotern ist dort frei und flüssig: Beispiele aus der täglichen Arbeit über Social Media-Kanäle zu zeigen und auch Fragen zu stellen mit Blick auf Techniken und Anwendung ist in anderen Ländern offensichtlich selbstverständlich.

Deutsche Sketchnoter sind aktiv 1

Viele deutsche Sketchnoter, die intensiv an dem Thema hängen, haben sich inzwischen an die internationale Community angedockt. Das zeigten auch die Tweets zum World Sketchnote Day, der jährlich von Mauro Toselli und Mike Rohde am 11. Januar veranstaltet wird. Laut Mauros Auskunft ist Deutschland der zweitgößte Markt für den Verkauf von Publikationen zu Sketchnotes aus dem englischsprachigen Raum.

Innerhalb der deutschen Community gibt es einige „Early Adopter“. Zunächst diejenigen, die visuelle Techniken schon seit zehn Jahren benutzen. Dann diejenigen, die innerhalb der letzten zwei bis drei Jahre Sketchnotes für sich entdeckt haben und daraus ein Business machen wollen. Es gibt die ersten deutschsprachigen Bücher für Einsteiger. Und vereinzelt auch Angebote zum Erstellen von Erklärvideos, Einführungen in Lettering und Techniken wie Aquarell oder Tinte. Dazu natürlich meinen On-Demand Kurs für Anfänger, der gerade nochmal überarbeitet und aktualisiert wird.

Deutsche Sketchnoter sind aktiv 2

Aus meinen Offline-Bezügen weiß ich mit Sicherheit, dass Sketchnotes von einer Menge Menschen genutzt werden ohne dass die Betreffenden sich in Social Media exponiert darstellen. (Oder überhaupt online agieren)

Darüber hinaus gibt es auch einfach viele Anwendungsgebiete wie zum Beispiel das Dokumentieren von Meetings oder Kundengesprächen, die man nicht öffentlich zeigen will, selbst wenn man in Social Media aktiv ist. Weil sie Interna in Unternehmen betreffen, die man nicht kommunizieren darf oder will. Ich selbst habe einige solcher Sketchnotes, die niemals das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben.

Warum also öffentliche Sketchnotes?

Skechnotes – visuelle Notizen – sind nicht nur einfach eine Technik. Dahinter steht eine Bewegung. Sunni Brown hat es als Erste perfekt formuliert: Die „Doodlerevolution“ ist eine globale Kampagne für „Visual Literacy“. Literacy bedeutet übersetzt: „die Fähigkeit zu lesen“ oder auch „Lese- und Schreibfähigkeit“. Hängt man das „Visual“ ran, dann kommen wir auf die Fähigkeit, visuell zu lesen und zu schreiben.

Weltweit läuft klassische Bildung so: man lernt gleich im ersten Schuljahr das Lesen und Schreiben. Buchstaben und Schrift. Man lernt aber nicht das Zeichnen. Um dem „Natürlich Kreativen“ der Kinder gerecht zu werden,  wird ein bisschen gebastelt, der Kopf wird getätschelt und dann gehen wir ganz schnell zum standartisierten Bildungssystem über: Schrift. Wenn du nach den ersten Jahren in der Schule immer noch „kritzelst“, wirst du aber zügig und energisch ermahnt und abgestraft.

Irgendwann in der Mittelstufe des deutschen Bildungssystems (und sicher auch in anderen Ländern weltweit) kommt dann das Fach „Kunst“. Ab da wird Zeichnen erhöht, als besondere Fähigkeit eingeordnet und gleichzeitig in eine exklusive Kompetenz-Ecke geschoben. Hast du Talent? Ah, gut. Dann mal los, beweis dich. Wer als Jugendlicher genügend Standhaftigkeit hat, versucht sich immerhin an Grafik-Design oder vergleichbaren Berufen und landet oft in prekärer Berufslage. (Nicht umsonst gibt es die Künstlersozialkasse in Deutschland).

German Angst

Anja C. Wagner, die einen scharfen Blick auf die deutsche Gesellschaft hat – sowohl mit Blick auf Digitalisierung als auch mit Fokus auf die Bildungslandschaft – nennt das Problem beim Namen. Ich persönlich stimme ihr zu, was die Angst generell zum Thema Digitalisierung betrifft, sehe diese Angst aber auch in der Generation unter Vierzig. Denn für die jüngere Generation ist es nicht so leicht, sich gegen die Sperren der Älteren zur Wehr zu setzen.

Pro’s & Con’s

Wer Visualsieren – und somit Sketchnotes – als etwas begreift, das als Kommunikations-Technik eingeordnet werden kann, hat gewonnen. Und wird sich nicht scheuen, die eigenen Notizen öffentlich zu zeigen.

Wer immer noch in den alten Denkstrukturen hängt und Zeichnen als Kunst ansieht, hat verloren. Und wird Sketchnotes vielleicht im persönlichen Wissensmanagement einsetzen. Er oder sie wird diese Technik aber niemals in berufliche Bezüge hineintragen oder die Idee der Sketchnote-Bewegung weiter tragen.

Das einzige Argument, dass ich bisher gegen öffentliches Zeigen von Sketchnotes gehört habe lautet: Ja, aber… man traut sich ja vielleicht nicht, seine Zeichnungen zu zeigen.

Kopf auf: es geht nicht um Schönheit in der Zeichnung. Es geht um das Transportieren von Ideen, um das Darstellen von Sachverhalten. Es geht um das Kommunizieren. Wie Mike Rohde es postuliert: Sketchnote is about ideas, not art.

Erst der Inhalt, dann die Schönheit

Rob Dimeo, den ich kürzlich exemplarisch für wissenschaftliche Sketchnotes erwähnt habe in einem Beitrag der Ausgabe 4/2016 Forum Neue Medien In Der Lehre Austria mit dem Themenschwerpunkt „Design & Usability im E-Learning“ veranstaltet an seinem Institut cirka alle vierzehn Tage ein Meeting für Mitarbeiter mit einer Hangout-Anbindung für Interessierte aus dem Web. Der vom 27.1. passt hervorragend zum Thema dieses Artikels.

Sketchnotes: Mindset zuerst

Schönheit kommt später

Also

„Frisch d’rüber hinweg! Wer nichts fürchtet, ist nicht weniger mächtig als der, den alles fürchtet.“

(Johann Christoph Friedrich von Schiller, (1759 – 1805), deutscher Dichter und Dramatiker)